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24.05. - 14.09.2002 - „Gotisches im barocken Kleid“ Sonderausstellung OÖ. Landesmuseums

 

„Der Schein trügt“ – so könnte man vielleicht noch salopper jenes faszinierende Phänomen in der bildenden Kunst bezeichnen, dem sich diese Sonderausstellung zum diesjährigen Gotik-Schwerpunkt widmet: Das Nachleben der Gotik in späteren Epochen, wobei wir dieses sowohl als Stilnachahmungen, Stiladaptionen, Kopien wie auch Fälschungen kennen. Die Gründe für dieses scheinbar unbeirrbare Fortwirken spätmittelalterlichen Kunstwollens, sind, wie die Ausstellung an einigen besonders signifikanten Beispielen vor Augen führt, allerdings recht unterschiedlich – genauso unterschiedlich wie der Grad der stilistischen Annäherung. Zu diesem Zwecke trennten sich kirchliche Institutionen, öffentliche Sammlungen sowie Privatleihgeber von ihren Schätzen, um dieses faszinierende Kapitel zu beleuchten. Das Innviertler Volkskundehaus Ried ist zudem in der glücklichen Lage, einige besonders herausragende Exponate beisteuern zu können.

Die Dezimierung der gotischen Kunstwerke wurde vor allem durch historisch-konfessionelle Gründe verursacht: In den Wirren der Reformation gingen zahllose gotische Kultgegenstände in den Klöstern, Kirchen und Kapellen des Landes verloren. Die katholische Kirche hatte sich aber im Konzil von Trient (1545-1563) ausdrücklich für die Beibehaltung der Bilder ausgesprochen, wodurch auch wieder die Verehrung Jesu und vor allem Mariens in Bildern und Skulpturen gutgeheißen wurde. Im Zuge der Gegenreformation und der erfolgreichen Wiederbelebung des Wallfahrtswesens wurde daher eine Reihe von gotischen Kunstwerken – vor allem Madonnendarstellungen und Vesperbilder – kultisch rehabilitiert und zugleich (wieder) zum Mittelpunkt von Wallfahrten gemacht. Das Alter und die damit oft verbundenen Lädierungen der Kultobjekte brachte man zudem mit mirakulösen Umständen in Verbindung, um damit ihre Anziehungskraft noch zu erhöhen. Da wurden abgebrochene Arme von Vesperbildern mit kunstvollen Silbermanschetten wieder neu montiert, Wunderberichte über weinende gotische Madonnen lanciert oder von der geheimnisvollen Rückkehr mittelalterlicher Gnadenbilder an ihre ursprünglichen Verehrungsorte berichtet. Um diese, oft als „köstliche Alterthümer“ bezeichneten spätmittelalterlichen Kultbilder jedoch dem Geschmack der Zeit anzupassen, ließ man sich einen „Trick“ einfallen: Man „kleidete sie einfach neu ein“ – gemeint sind jene kostbaren Kleidchen bzw. Mäntelchen aus Seide, Brokat oder Samt mit Gold- und Silberfiligran, die man – nach dem Vorbild der Mariazeller Madonna“ - über den Korpus stülpte. Auf diese Weise wurden aus einigen erhaltenen gotischen Skulpturen und Gemälden nachträglich jene wundertätigen Gnadenbilder, denen erst Joseph II. mit rigorosen Maßnahmen (wie etwa dem Bekleidungsverbot der Gnadenbilder) begegnete. In manchen Fällen hatte man den erhaltenen gotischen Madonnen in der Barockzeit sogar Perücken aufgesetzt, wie etwa das Beispiel der Madonna von Maria Schauersberg bei Wels bezeugt.

Durch den florierenden Handel mit Devotionalkopien gotischer Gnadenbilder wurden darüber hinaus die wichtigsten mittelalterlichen Wallfahrtskultbilder (Altötting, Mariazell oder Adlwang) und ihre Stileigenheiten weitertradiert. Historizismen sowohl in der Hoch- als auch in der Volkskunst sorgten im Barock zugleich für die Rückbesinnung auf die vorreformatorische Kunst. Sie äußerte sich in verblüffend-raffinierten Stilanpassungen wie auch in den zumeist derber geratenen Annäherungsversuchen, wie wir sie vor allem aus der sogenannten „Bauerngotik“ kennen. Es verwundert daher nicht, dass wir auch im Schaffen der Familie Zürn wie auch des Genius loci, der Bildschnitzerfamilie Schwanthaler, immer wieder faszinierende Rückgriffe auf frühe Stileigenheiten beobachten können.

Ausblickhaft wird dies auch an Beispielen der Malerei vor Augen geführt, wo selbst noch bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts fallweise an der Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts festgehalten wurde, wie etwa die nach einer Vorlage Albrecht Altdorfers gemalte Kreuzigung aus Klein Murham aus dem Jahre 1626 dokumentiert.

 

Hannes Etzlstorfer