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Otto Ruhsam "Identitäten" Vernetzung traditioneller/moderner Welten

Bei der Entstehung der Schrift standen Wiedergaben von Gegenständen Pate; sie gaben das Vorbild für den Laut, der damit begann, oder für die Laute, die überhaupt das Objekt als Ganzes bezeichneten. Aus PIKTOGRAMMEN entwickelten sich ägyptische Hieroglyphen, die hieratische Schrift, aus „Buchstaben“ des griechischen, lateinischen und cyrillischen Alphabets. Die Tätigkeit des Schreibens, das Aneinanderreihen von Bildsymbolen - für den Uneingeweihten einheitlich und kaum unterscheidbar - war Ausgangspunkt für die künstlerischen Darstellungen, wie sie jetzt einer, der mit Buch und Schrift durch seinen Beruf eng verbunden ist, geschaffen hat. Es entstanden nun eben Skriptogramme. Otto Ruhsam, Bibliothekar an der Universität Linz, hat 1991 gefundene Dinge - Treibholz, Scherbenfragmente, verwitterte Türstücke, wurmgeschädigte Baumstämme -, denen er den Stempel „Zeitweihe“ gab, in einer Ausstellung in der Brauhausgalerie in Freistadt präsentiert. 1993 machte er in der Galerie der Universität Korrekturstreifen, alte Buchseiten, amtliche Dokumente, Kartonfaszikel, die er aufstöberte, zu den oft kaum merklich veränderten Ausgangspunkten seiner Collagen. In seiner neuesten Präsentation zeigt er die Ergebnisse intensiver Arbeit mit Linien und Strichreihen. In einem Gitterwerk werden Symbole angeordnet, die nicht im einzelnen, sondern in der Aufeinanderfolge ihre Wirkung erlangen. Strichlagen geben Hintergründe für graphische Gestaltungen verschiedener Größen, bringen Textur für imaginäre Texte, Untergrund für Übermalungen, wobei man oft glaubt, daß dabei Blumen als Umkehr des Weges in die Abstraktion darauf zu sehen sind. Und auf manchem Blatt perhorreszieren die Listen, die Übersichten, die Numerator-Bildchen die heute allgegenwärtige Überinformation, die Flut von jederzeit abrufbaren Nachrichten, Quellen, Hinweisen, Verzeichnissen. So wie sie das Uniforme einer Information steigert zu einer Gleichartigkeit ohne individuelle Unterscheidung in einem Strichband, so führen diese Blätter den unerschöpflichen Wust vor Augen, in dem der Einzelne untergeht, der ihn überrollt, überflutet. Visionen der Not und der Angst. Und dann erholt sich das Auge wiederum bei einer Bildgruppe, die wie Andrucke von Spielkarten aussehen und mit ihren heiteren Formen sagen, es ist alles doch nur Spiel, Glasperlenspiel, eben Material des homo ludens - schreibt Dr. Georg Wacha über die Kunst von Otto Ruhsam.

Biographisches: Geboren am 2. 8. 1950 in Neumarkt im Mühlkreis. Seit 1972 Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Linz. Ab 1990 regelmäßige Teilnahme an Lithographie-Seminaren bei Prof. Alfred Billy im Schloß Sigharting bei Schärding und im Offenen Kulturhaus des Landes Oberösterreich in Linz. In seinen neuesten Arbeiten sind Zeichen und Symbole, Linien und Schriften die Träger bei der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Informationsgesellschaft. Gruppenausstellungen: Neumarkt, Freistadt, Linz, Passau. Einzelausstellungen: Freistadt, Linz, Graz, Frankfurt. „Ich will gute Bilder machen, wo von mir und unserer Zeit etwas ablesbar ist und die ästhetische Komponente nicht vernachlässigt wird“ erklärt Otto Ruhsam seine künstlerische Intension.

Zur Ausstellung im MUSEUM Innviertler Volkskundehaus Ried im Innkreis formulierte der Künstler folgende Gedanken:   Wer die Welt nicht als „gegenständlich“ erfährt und kennenlernt, der entfremdet sich notgedrungen von ihr, schrieb und predigte schon vor 15 Jahren der Computerwissenschaftler Joseph Weizenbaum, hinlänglich bekannt durch sein Buch „Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“. Frankfurt 1978. Datenhighways sind der Tod real erlebbarer Sinnlichkeit. Ich will keinen binär konstruierten Raum, sondern einen den ich greifen, riechen und fühlen kann; ein Umfeld, das mir nahe liegt und nicht in berauschender Ferne Es lohnt sich, die Hand zu spüren, die Strich für Strich Ungerades produziert.