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Camilla Estermann

* Linz | 21. Dezember 1881

† Wien | 21. November 1944

Neun Jahre Ordensschwester in Ried, dann in einer Bekleidungsfirma zwangsverpflichtet. Wegen Mildtätigkeit zu Kriegsgefangenen hingerichtet.

Camilla Estermann ist 1907 ins Redemptoristinnen Kloster St. Anna in Ried eingetreten. Sie war musikalisch, handwerklich geschickt und künstlerisch begabt, malte Heiligenbilder und schnitzte für jede Schwesternzelle ein kleines Holzkreuz.

Mit ihrem Austritt aus dem Kloster am 21. Oktober 1916 beendete sie nicht ihre Beziehungen zu katholischen Kreisen. So hielt sie die Verbindung mit dem gläubigen Rieder Gendarmerie-Kommandanten Franz Heger aufrecht. Mittlerweile in Linz wohnend, wurde Camilla Estermann wie er und eine Reihe anderer Verdächtiger im Herbst 1943 zum ersten Mal von der Gestapo verhaftet. Ihnen wurde vorgeworfen, durch die Verbreitung religiöser Schriften Stimmung gegen den Krieg gemacht zu haben.

Nach ihrer Freilassung hatte Camilla weiterhin Kontakt zu Kriegsgefangenen. Ihnen zu helfen, sah sie als ihre Pflicht als Christin. Sie besorgte ihnen Kleidungsstücke, Seife und Medikamente. In unbewachten Momenten steckte sie ihnen auch Lebensmittel und Zigaretten zu. Das alles war strafbar und galt als kriegsfeindliche Haltung. 

Im Herbst 1944 verhaftete sie die Gestapo daher ein weiteres Mal. In Verhören gestand die 63-Jährige weitere Wohlfahrtsdienste. Diese Begünstigung von Kriegsgefangenen genügte für ein Todesurteil. Am 14. November 1944 wurde sie ins Wiener Landesgericht überstellt und eine Woche später exekutiert. Zwei Minuten vor ihr hatte man Franz Heger in den Hinrichtungsraum geführt.

In einer Notiz schreibt Camilla Estermann im November 1944 „O mein Jesus, wie Du Blut und Leben hingegeben hast – so gebe ich bereitwillig mein Leben hin für Dich!“ 

Camilla Estermann und 195 weiteren Todesopfern von Nationalsozialismus und Faschismus im Bezirk Ried im Innkreis ist der Lern- und Gedenkort Charlotte-Taitl-Haus gewidmet.

Quelle: Gansinger, Gottfried: Nationalsozialismus im Bezirk Ried im Innkreis – Widerstand und Verfolgung 1938-1945. Innsbruck – Wien – Bozen: Studien Verlag 20164.