Startseite > KULTUR > Museum Innviertler Volkskundehaus > Sonderausstellungen > Großes Theater auf kleiner Bühne - alte Marionetten aus Böhmen

Großes Theater auf kleiner Bühne - alte Marionetten aus Böhmen

„Alte Marionetten aus Böhmen“

Das Puppenspiel gelangte im 15. Jahrhundert von Osten nach Europa. Für die Frühzeit gibt es keine schriftlichen Quellen – die ersten Puppenspieler waren meist einfache Angehörige der Komödiantenzunft, des Lesens und Schreibens unkundig. Die ersten zuverlässigen Dokumente über das Marionettentheater stammen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Vor allem englische und italienische Künstlertruppen sorgten für zunehmende Popularität. Diese fahrenden Spieler brachten häufig, Stücke von Shakespeare, Molière oder andere Klassiker zur Aufführung. Das Puppentheater fand die Quellen für seine Stoffe außer in der Klassik auch im Spielplan der Commedia dell’ arte und in Operntexten. Märchen, die heute als typisch für das Marionettentheater gelten, wurden verschmäht. Anfangs ging es in den Geschichten um außergewöhnliche Menschen, die zu großen Taten und Leidenschaften fähig waren. In der volkstümlichen Umsetzung dieser literarischen Vorlagen wurde das Ernste und Tragische zur Zielscheibe von Ironie und Verspottung der herrschaftlichen Arroganz und Dekadenz, der man die Lebensweise des einfachen Volkes gegenüber stellte. Die stärksten Szenen basieren deshalb auch auf dem Kontrast der vornehmen Ausdrucksweise der Herren und der derben Sprache der Menschen aus dem Volk. Um 1820 begann die Blütezeit des böhmischen Puppentheaters mit hervorragenden Puppenspielern. Ab 1900 wurden Puppenkollektionen von verschiedenen Firmen hergestellt, z. B. von Münzberg/Prag. Bald schlossen sich andere Firmen wie Storch usw. dem Boom an. Neben Privatpersonen sorgten auch Bürgerschulen, Gymnasien, das Rote Kreuz usw. für die Verbreitung der Puppenspielkunst. Durch das Marionettenspiel sollten vor allem auch erzieherische Ziele vermittelt werden. Das trug zu einer Verlagerung der Inhalte in Richtung Kindertheater bei. Die Rolle des Kasperls – Kašpárek Das Puppentheater hatte schon bald einen Serienhelden, den Kasperl, böhmisch Kašpárek. Er setzte sich nicht nur durch sein Aussehen, sondern auch durch seine Sprache von den übrigen Figuren ab. Das Mundwerk spielte immer eine doppelte Rolle als Sprechorgan und bodenloser Schlund. Im Puppentheater waren daher die Spaßmacher meist nach Speisen benannt: Signor Maccharoni, Hans Supp, Jean Potage, Jack Pudding oder Hans Wurst. Der Anteil des Kasperl-Parts in Marionettenspielen wird immer umfangreicher: Kasperl bekommt daher häufig eine bessere technische Ausstattung als die restlichen Puppen, z. B. einen beweglichen Mund. Der Kasperl entwickelte sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts (um 1900) vom ursprünglich grotesken Spaßmacher zum lieben, frechen kleinen Jungen. Er bleibt aber im Grunde ein Sprecher des Publikums: Kritiker, Stütze der Moral und Vertreter der öffentlichen Meinung.